„Die abweichende Lagerung des Königsstuhles auf Jasmund verdient bemerkt zu werden. Die Uferwand von Stubbenkammer weicht zu beiden Seiten dieses Felsens zurück und läßt ihn vereinzelt hervorspringen."

Adelbert von Chamisso

Kurzvita von Adelbert von Chamisso

1781 Etwa 27.-30.01. geboren auf Schloss Boncourt in der Cham- pagne als Louis Charles Adélaïde de Chamissot de Boncourt.
1792 Durch Ausbruch der Franzö- sischen Revolution flieht die Familie in die Niederlanden.
1795 Düsseldorf, Würzburg, Bayreuth: Chamisso unterstützt Familie durch den Verkauf selbstver- fertigter Miniaturmalereien.
1796 Übersiedlung nach Berlin, Louis Charles wird Page der Königin Friederike Louise.
1803 Anschluss an den Romantiker- kreis des Polarsternbundes.
1810 Reise nach Hamburg/Paris; Dort Begegnung mit Uhland, A. W. Schlegel, A. v. Humboldt.
1812 Hinwendung zur Botanik; Reise zu Fuß durch Alpen und Jura. 17.10. - Immatrikulation an der Universität Berlin als Student der Medizin, Chamisso belegt Vorlesungen über Botanik, Zoologie, Anatomie, Mineralogie, später über Magnetismus und Naturphilosophie.
1823 Reise nach Greifswald und Rügen, Publikation „Untersuchung eines Torfmoores bei Greifswald und ein Blick auf die Insel Rügen“. (erscheint 1824)
1828 Erstdruck der Ballade „Die Jungfrau von Stubbenkammer“.
1838 21.08.1838 in Berlin verstorben.

Der Weltumsegler, der Poet, der Wissenschaftler

zu Besuch in der romantischen Stubbenkammer

Weit gereist war der in Frankreich geborene Chamisso bereits, bevor es ihn 1823 auch nach Rügen zog. Zwischen 1815 und 1818 erforschte er Orte wie Polynesien, Mikronesien und Hawaii, wo er vorurteilslose, humanistische Darstellungen der dortigen Einwohner anfertigte. Er kartografierte große Teile der Küste von Alaska, erfasste die Flora, und kritisierte die russische Kolonialherrschaft. Ein mutiger Zug, wenn man bedenkt, dass die Reise vom russischen Zaren bezahlt wurde. Er bereiste weitere Orte, und so fragt man sich: Was boten ihm das kleine Pommern und die Insel Rügen für seine wissenschaftlichen Untersuchungen?

Der junge Poet und vielseitig interessierte Wissenschaftler hatte einen Hang zur Botanik und zu Torfmooren. So führte ihn die barometrische Messung zunächst nach Greifswald, später nach Rügen und Hiddensee. Er besuchte auch die Kreidefelsen. Neben Torfmoormessungen führte er Höhenschätzungen auf dem Königsstuhl durch. Seine Ergebnisse hielt er 1824 in der Publikation „Untersuchung eines Torfmoores bei Greifswald und ein Blick auf die Insel Rügen“ fest. Im Vergleich zu anderen Reisebeschreibungen, erhält die Stubbenkammer nun auch ein wissenschaftliches Bild und der Königsstuhl eine Höhe.

„Die verschiedenen ungefähren Schätzungen und Messungen, die man von der Höhe des Königsstuhles besaß, weichen voneinander zwischen den Grenzen von 360 und 600 Fuß ab, und eine zuverlässige Messung wäre noch zu wünschen. Beobachtungen, die ich mit dem Pistorschen Heberbarometer im Hause auf Stubbenkammer und, nach der Zwischenzeit von einer halben Stunde, am Strande, angestellt habe, und umgekehrt, haben mir für die Erhöhung des Fußbodens dieser Häuser über dem Meere folgende Resultate gegeben: Erste Messung 465. Zweite Messung 445. Mittel 455 Pariser Fuß."

Hinzu begutachtete er beim Bobbiner Pastor auch die reiche Sammlung von „Altertümern“ und lobte die „an Versteinerungen reiche Sammlung“ (Fossilien). Letztendlich empfand er „„Stubbenkammer und Arkona“ sind auch einem Weltumsegler noch schön.“

Trotz der wissenschaftlichen Untersuchungen bleibt Chamisso im Zusammenhang eher mit seiner verfassten Ballade „Die Jungfrau von Stubbenkammer“ in Erinnerung aus dem Jahr 1828 in der er die weithin bekannte Sage der Jungfrau am Waschstein bei Stubbenkammer verarbeitete.

Jungfrau von Stubbenkammer

1828

Ich trank in schnellen Zügen
Das Leben und den Tod
Beim Königsstuhl auf Rügen
Am Strand im Morgenrot.

Ich kam am frühen Tage
Nachsinnend einsam her,
Und lauscht‘ dem Wellenschlage,
Und schaute übers Meer.

Wie schweifend aus der Weite
Mein Blick sich wieder neigt,
Da hat sich mir zur Seite
Ein Feenweib gezeigt.

An Schönheit sondergleichen
Wie nimmer Augen sah‘n,
Mit gold‘ner Kron‘ und reichen
Gewändern angethan.

Sie kniet‘ auf Felsensteinen
Umbrandet von der Flut,
Und wusch, mit vielem Weinen
Ein Tuch, befleckt mit Blut.

Umsonst war ihr Beginnen,
Sie wusch und wusch mit Fleiß,
Der böse Fleck im Linnen,
Erschien doch nimmer weiß.

Da sah sie unter Thränen,
Mich an, und bittend fast;
Da hat ein heißes Sehnen
Mich namenlos erfaßt.

„Gegrüßt sei mir, du blendend,
Du wundersames Bild!“
Sie aber, ab sich wendend,
sprach schluchzend, aber mild:

„Ich weine trüb‘ und trüber,
Die Augen mir und blind,
Gar viele zieh‘n vorüber,
und nicht ein Sonntagskind.

Nach langem, bangen Hoffen,
Erreichst auch Du den Ort -
Oh, hättest Du getroffen
Zum Gruß das rechte Wort!

Hätt‘st du Gott helf‘! gesprochen,
ich wär erlöst und dein,
Die Hoffnung ist gebrochen,
Es muß geschieden sein!“

Da stand sie auf, zu gehen,
Das Tuch in ihrer Hand,
Und wo die Pfeiler stehen,
Versank sie und verschwand.

Ich trank in schnellen Zügen
Das Leben und den Tod
Beim Königsstuhl auf Rügen
Am Strand im Morgenrot.