"Dies ist die Stubbenkammer. Es ist nicht möglich einen einfacheren und erhabeneren Anblick zu finden."

Wilhelm von Humboldt

Romantik in jeder Hinsicht

Die Epoche und die Stubbenkammer

Gerade kleine Regionen fragen sich oft, wie hat die Epoche einen berührt, welche Auswirkungen hatten die eigenen Orte auf Reisende und hatte man eine Bedeutung für das Große und Ganze. Die Insel Rügen ist zwar Deutschlands größte Insel, doch ein sehr ländlicher Raum, weit ab von den deutschen Denkzentren der Geschichte. Nichts desto trotz überzeugte sie damals wie heute mit ihrer wunderschönen, vielseitigen und magischen Natur. Die Insel sowie die Stubbenkammer fanden in der Romantik viele Freunde und ein weltweites Publikum, welches sie heute in ihren Bann zieht.

Die Epoche des europäischen, besonders der deutschen Romantik, verlief Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts, mit Ausprägungen in den Bereichen Literatur, Musik, Kunst und auch Philosophie. Je nach Gattungen unterscheiden sich die Einteilungen der Kunstformen in Früh-, Hoch- und Spätromantik. Insbesondere im Bereich der Musik hielt die Romantik bis ins frühe 20. Jahrhundert an.

Sie steht im Gegensatz zu Aufklärung und Klassik und ist geprägt durch die Betonung des Gefühls, die Hinwendung zum Irrationalen, Märchenhaften und Volkstümlichen und der Rückwendung zur Vergangenheit. Es verwundert daher nicht, dass auch Rügen mit seiner ungewöhnlichen Frühgeschichte sowie reichem Märchen- und Liederschatz, ein begehrter Ort für Romantiker wurde.

Das auf dem altfranzösisch (romanz, roman und romant) basierende Wort wird in seiner heutigen Bedeutungsform als erstes von Novalis (Schriftsteller und Philosoph der Frühromantik) verwendet. Zunächst lediglich aber als Begriff zur Lehre vom Roman. Erst später wird der Begriff bezeichnend für die Epoche genutzt.

Ein Romantiker zu sein, stellt einen stets vor eine wahrliche Herausforderung und das seit Menschheitsdenken an. Auch die Romantiker des 18. Jahrhunderts standen mit ihren Ansichten im Widerspruch zur bestehenden Gesellschaft.

Denn diese befand sich in einem aufstrebenden und umbrechenden Prozess. Der Beginn der Industrialisierung, Napoleons Kriege (welche auch Rügen wahrlich unromantisch belagerten) und preußische Reformen zur Gestaltung des Bürgertums dominierten die Gesellschaft. Zeitgleich verloren Rätsel und Mythen ihren Zauber durch vermehrt wissenschaftliche Erklärungen. Den Romantikern war dies zu wider und sie stellten sich gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und Nützlichkeitsdenken. Auch gegen Napoleons Besatzungen stellen sie sich. Die kriegerischen Ereignisse rührten den Patriotismus der Romantiker für die eigene Heimat.

Kein Wunder also, dass die Werke dieser Zeit den Wunsch nach dem Geheimnisvollen und dem Unerklärlichen verdeutlichten, Philosophie und Religion zu vereinen versuchten und das Rationale ganz neu mit dem Unbewussten in Verbindung brachten. Zeitgleich wurde eine Wiederbelebung von mittelalterlichen sowie patriotischen Motiven und Kunstformen gefördert. Der Einzelne und seine Gefühle sowie ein Lebens- und Naturgefühl wurden in den Vordergrund gerückt, und damit auch Kritik am bestehenden System geäußert.

Für die Romantiker bedeutete dies aber auch oft ein gewisses Unverständnis der Weggefährten der Zeit, welche dem Realismus anhingen und somit zum Beispiel Caspar David Friedrichs Werken oft nur mit einem Kopfschütteln gegenüberstanden.

Besonders an der Epoche ist, dass mit der Entwicklung der Romantik zum ersten Mal überhaupt die gesamte bildende Kunst untrennbar auf einem ideologischen, weltanschaulichen Unterbau ruhte. Hinzu kommt, dass zuvor keine Epoche so sehr von jungen Künstlern dominiert wurde, welche ihre Kunst auf einem betonten Gemeinschafts- und Freundschaftsgefühl entstehen ließen.

Das romantische Erlebnis der Ferne und der Landschaft gewinnt an Raum und wird zugleich bedeutsamer und sinnbeladener – im künstlichen Rahmen sowie buchstäblich im Fokus der Gesellschaft. Es waren nicht nur die Künstler, die in ihren Werken die Sehnsucht nach anderen Orten zelebrierten, sondern die Zeit selbst war Zeuge des aufkommenden Tourismus für das Bürgertum.

So fällt auch der touristische Beginn der Stubbenkammer in jene Zeit. Ob von Land oder Seeseite aus - die wilde Natur, welche durch die Jahreszeiten immer wieder andere Facetten von sich zeigte, zog die Gäste, darunter die Romantiker, an.

Gefördert durch die Tätigkeiten des Sagarder Pastors von Willich, wie der Bau der Naturstufen am Königsstuhl oder der ersten Obdach von 1801, wurde der Königsstuhl sowie die Natur des Nationalparks Jasmund ein beliebtes Ausflugsziel für Rügenreisende aus aller Welt. Auch echte romantische Bauten fanden sich in der Stubbenkammer. Nach dem die erste Obdach den napoleonischen Kriegen zum Opfer fiel, wurde 1835 nach Vorstellungen des späteren Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV hier ein neuer Gasthof erbaut. Das Gebäude, entsprechend der damaligen schwärmerischen Architektur-Mode im Schweizer Stil, wurde nach den Plänen von Karl Friedrich Schinkel gefertigt und gilt als einer der auf Rügen sicher nachgewiesenen Bauten von ihm. Leider fiel dieser Gasthof verschiedenen Feuern zum Opfer, sodass statt dem Schinkelbau, das Hotel Stubbenkammer von 1891 nun in seinen Grundzügen noch zu sehen ist.

Für die Stubbenkammer gilt als Reiseort damals wie heute. Ausgangspunkt für Wanderungen, Schiffs- oder Kutschfahrten waren die Orte Lohme und die Hafenstadt Sassnitz mit dem großen Ziel: „der Königsstuhl“.

Die Natur vereinte viele der bevorzugten Schwellenmotive der Romantiker, wie Jahreszeiten, Tag und Nacht, Leben und Tod. Die romantische Religiosität durchdrang das Verständnis von Natur und wurde immens in den Werken symbolisiert. Landschaft galt als die von Gott beseelte Natur, in deren Wesen sich Gott ständig offenbart. Der Mensch, beherrscht nicht, sondern ist nur ein staunender, ehrfüchtiger Betrachter und Teilhaber der wilden, ungebändigten und dadurch geheimnisvollen Natur.

Auch wenn nicht alle Romantiker die Natur als Offenbarung Gottes so streng sahen, so waren sie sich aber einig, dass das Universum in all seinen Erscheinungsformen als eine unauflösliche Einheit gilt. So wie Literatur, Religion, Kunst und Natur eng verwoben waren, so war die Vielfalt der Menschen, Tiere, Pflanzen, Gesteinen, Sternen immer nur als Ganzes begreifbar.

Natur wurde gezeichnet wie sie ist. Es lag kein Fokus auf einer perfekten Inszenierung, selbst wenn es sich bei Gemälden um Skizzenkompositionen handelte. Daher verwundert es nicht, dass die Natur der Stubbenkammer im wilden Wald am Meer mit den imposanten Kreidefelsen und der schillernden Ostsee ein bevorzugtes Motiv der Rügenreisenden Romantiker war.

Der Fokus auf die wilde und ungebändigte Natur bringt den Romantikern auch oft den Ruf als Urväter des Naturschutzes ein. Auch wenn ihnen der Naturschutz an sich nur bedingt im Vordergrund stand, so lösten sie durch ihre Darstellung wild-romantischer Natur eine Faszination für die echte Natur aus, welche weitere dazu bewegte, diese wilde Natur zu erleben und sie nicht zu zähmen. Es entstand eine größere Wertschätzung des Naturraums und die Natur wurde als Seelenort betrachtet.

So kann man durchaus davon sprechen, dass die Romantiker bzw. die Epoche selbst Vorreiter in diesem Gebiet waren. So gab es bereits 1765 ein königliches Dekret, welches ausdrücklich den Abbau von Kreide am Steilufer von Lohme bis Sassnitz verbot und auch wenn eine wechselhafte Auslegung dieser Regelungen im 19 Jahrhundert gab, so war damit der Grundstein gelegt. Denn seit dem 17. März 1926 wurde ein 1.278 ha umfassendes Naturschutzgebiet „Jasmund“ bestätigt, welches auch über die nächsten Jahrzehnte Bestand hatte und letztendlich am 12.9.1990 der Nationalpark Jasmund gegründet wurde.