„Dies, sprach er, ist der Königsstuhl!“ und zeigte mir eine Kreidezacke, die aus der platten Wand hervortretend zu einer unersteiglichen Zinne emporstieg. „Dies“… wollt´ er fortfahren, allein ich ließ ihm nicht die Zeit, seinen Spruch zu vollenden."

Gotthard Ludwig Kosegarten

01.02.1758 Geburt in Grevesmühlen.
1775 Studium der Theologie in Greifswald. Zur weiteren Finanzierung des Studiums wird er Hauslehrer beim Landvogt von Wolfradt in Bergen. Die Liebe zur Schülerin Caroline kostete ihm die Stellung, es folgen weitere Hauslehrerstellen auf Rügen.
1777 Erste Gedichtsammlung unter dem Titel „Melancholien“.
1785 Rektor in Wolgast, Vaterstadt des berühmten Romantikmalers Philipp Otto Runge, dessen Lehrer er wurde.
1792 bis 1808 Pfarrer in Altenkirchen im Norden von Rügen, Stelle von der schwedischen Krone zugeteilt. Besuche von Friedrich und Runge.
1793 Promotion zum Doktor der Theologie in Rostock.
1794 Zweiter Band seiner „Rhapsodien“, die unter- anderem die „Briefe eines Schiffbrüchigen“ enthalten.
1806 Beginn mit Bau des Uferbethauses Vitt, durch Ausbruch des Franzosenkrieges konnte die Kapelle erst zehn Jahre später eingeweiht werden.
1808 Als Professor nach Greifswald berufen.
26.10.1818 in Greifswald verstorben und auf eigenen Wunsch in Altenkirchen beigesetzt.

Die Schönheit war für ihn das Göttliche in der Natur. Abgeschieden am Ende von Rügen fand er sie wieder.

Der Theologe und Schriftsteller prägte als Verfechter der aufgeklärten Gefühlsfrömmigkeit sowie seiner Ansicht, die Natur sei die Offenbarung Gottes, nicht nur das Naturverständnis der Zeit, sondern auch viele Künstler und deren Werke, darunter die beiden Maler Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge. Er betrieb auch regen Briefverkehr mit anderen Künstlern der Zeit, egal ob aus der Romantik, Realismus oder Klassik – darunter Goethe, Schiller, Arndt, Runge und Friedrich.

Gerade Wittow, Hiddensee und der Jasmund hatten es ihm angetan. In empfindsamer Dichtung besang er die Urnatur Rügens mit den Hainen, Hünengräbern, Ruinen, Baumriesen sowie die auf- und untergehende Sonne. Er machte damit den Reiz der rügenschen Landschaft weit über die Insel hinaus bekannt. Diverse Gedichte von ihm finden auch eine Vertonung durch den Musiker Franz Schubert. Es war ihm ein Anliegen, dass die Menschen nach Rügen kommen und die Schönheit des Nordens entdecken – in einer Zeit, in der es viele in den warmen Süden Italiens zog.

Briefe eines Schiffbrüchigen

1794

Neben den Uferpredigten und zahlreichen Gedichten sind es die „Briefe eines Schiffbrüchigen“ in denen Kosegarten sein Schwärmen für  die Natur Jasmunds und Wittows verewigt. Er verarbeitet hier literarisch sich selbst und seine Eindrücke in zwei Rollen. Als Schiffsbrüchiger kommt er auf die Insel und erzählt von seinen ersten Eindrücken der Natur. Als Pastor Finster und dessen Uferpredigten, nimmt er seine Tätigkeiten unter die Lupe. In seinen Inselbeschreibungen fällt auf, dass es einen großen Unterschied zu anderen Zeitgeistern gibt: Für ihn sind die Kreidefelsen „Obelisken der Ewigkeit“, zeitgleich setzt sich aber bei seinen Künstlerkollegen das Symbol der Vergänglichkeit für Rügens weiße Felsen durch.

Ein Auszug:

„Eine halbe Stunde wanderten wir in der immer finstrer und dichter sich drängenden, zugleich auch über den Meeresspiegel immer höher sich hebenden Waldung, als mit einmal der Wald sich lichtete, der Boden uns ermangelte, das überraschte Auge hinunterstarrte in eine schwindelnde Tiefe, und schnell sich hob, um im Anschaun des weiten hehren Meeres sich wieder zu sammeln.

„Dies, sagte mein Führer, ist die Stubbenkammer!“ und wies in einen Schrund hinunter, dessen Eingange zwei aufrechtstehende Kreidepfeiler das Ansehn einer Pforte gaben. „Dies, sprach er, ist der Königsstuhl!“ und zeigte mir eine Kreidezacke, die aus der platten Wand hervortretend zu einer unersteiglichen Zinne emporstieg.

„Dies“… wollt´ er fortfahren, allein ich ließ ihm nicht die Zeit, seinen Spruch zu vollenden. Ungeduldig, die verschiednen Parthien dieses herrlichen Gestades selbst zu erkundschaften, und ihres Eindrucks ohne einen lästigen Dritten, der noch dazu den Cicerone schien spielen zu wollen, zu genießen, entlief ich ihm, und eilte, die äußerste und höchste, mit weitwipfligen jahrhundertalten Buchen bekränzte Ecke des Vorgebürges zu ersteigen.“